Yjoti. Licht. Die Sonne über Indien.
Eine Frau sitzt an der Nähmaschine. Fließendes Kleid – fließende Stoffe.
Die Farben der Stoffe strahlen. Jene ihrer Kleider, jene der Stoffe, die sie mit geübten Handgriffen zu Kleidungsstücken näht. Klingende Armreife – klingendes Gelächter.
Ich sitze in einem Berliner Büro. Nur ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die Fensterscheibe. Doch als mir Jeanine von ihrer Arbeit in Indien, den Frauen und ihren Geschichten erzählt, geht nicht nur in ihren Augen die Sonne auf – mir ist, als wäre ich selbst dagewesen.
Es ist das Büro von Jyoti Fair Works in dem ich mich Ende letzen Jahres wiedergefunden und mit Jeanine, der Gründerin zum Gespräch getroffen habe. Entdeckt habe ich das Unternehmen schon vor einiger Zeit, als es per Crowdfunding in den Startlöchern stand. Die Neugierde hat mich hierher geführt. Ich wollte erfahren, wie das so funktioniert, der Prozess von der Idee zum eigenen Label, und auch, was ihre Definition von “Fair Fashion” ist.
Jeanine bringt Licht ins Dunkel, erklärt, was genau es mit dem Begriff Fair Fashion auf sich hat, wie Jyoti das umsetzt und was das Label so besonders macht.
Als ich also am Tisch sitze, mit drei lächelnden Frauen, ihr lausche und nebenbei jedes Paket liebevoll von Hand verpackt wird, mit einem Gruß an den Empfänger, spüre ich, dass mein Gegenüber weiß, wovon sie spricht.
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Was bedeutet Jyoti?
Jyoti ist Hindi und hat gleich mehrere Bedeutungen. Im Allgemeinen bedeutet es aufgehendes Licht oder Feuer, mitunter hat es aber auch eine spirituellere Konnotation und steht für Pracht und Hoffnung.
Gewählt haben wir diesen Namen also als Symbol für die Stärkung der Frauen mit denen wir arbeiten.
Zudem ist der Begriff den Frauen sehr bekannt, welches ihnen eine Identifikation erleichtert und auch unsere Partnerorganisation trägt ihn in ihrem Namen Jyothi Seva Kendra.
Was bedeutet Fair Fashion für dich (generell?)
Fair Fashion bedeutet für uns, die Herstellung von trend-unabhängigen, umweltschonend produzierten Stücken, die nicht nur Konsumenten, sondern auch allen beteiligten Produzenten Freude bereiten.
Worin liegen die Unterschiede in der Definition von Fair Fashion?
Da Begriffe wie ‚Fair Fashion’ oder ‚Nachhaltige Mode’ nicht geschützt sind, gibt es unzählige Auslegungen und keine einheitliche Definition.
Besonders Textilien haben eine sehr lange und komplexe Wertschöpfungskette wodurch ein wirklich faires Produkt nicht nur ein paar, sondern etlichen Ansprüchen gerecht werden muss. Da dies oft sehr schwer zu realisieren ist, wird der Begriff Fair häufig schon eingesetzt, wenn erst sehr wenige der etlichen Produktionsschritte unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt werden. Dies ist nicht nur negativ – irgendwo muss man ja anfangen. Problematisch jedoch wird es wenn Firmen diese recht wagen Begriffe zu Zwecken des Greenwashings ausnutzen und somit immer weiter ihrer eigentlichen Bedeutung berauben.
Worauf kann ich als Konsument acht geben?
Man kann darauf achten ob eine Marke bereits Schritte hin zu einer faireren Wertschöpfungskette unternimmt – wenn dies der Fall ist, sollte man die Marken loben und unterstützen, wenn nicht, kann man sie als Konsument unter Druck setzten.
Wenn es um den Konsum fairer und nachhaltiger Kleidung geht verteidigen viele ihre noch immer konventionelle Wahl mit dem Argument der sehr hohen Preise.
Entscheidend ist also nicht sein Konsumverhalten unkritisch einfach umzuleiten, sondern insgesamt weniger zu konsumieren.
Kaufe ich weniger Kleidung und schaue ich auch mal auf dem Flohmarkt oder tausche mit Freunden, gebe ich sicherlich nicht mehr Geld aus, als wenn ich regelmäßig zu einer der großen Ketten spaziere und für günstiges Geld einen ganzen Berg an Kleidung nach Hause schleppe.
Also ganz à la Vivien Westwood „Buy less, choose well, and make it last.”
Wie setzt ihr das um?
Uns ist es sehr wichtig keine kurzlebigen Trends zu produzieren, sondern Kleidung, welche sich saisonunabhängig über Jahre zu Lieblingsteilen entwickeln kann. Um die Textilproduktion tatsächlich nachhaltiger zu gestalten, ist es unerlässlich sich von kurzlebigen Trends und der damit verbundenen enormen Überproduktion und auch Verschwendung zu verabschieden.
So haben wir uns bewusst gegen Kollektion und vielmehr zu einer Art Baukastensystem entschieden. Unsere Kunden sollen nicht das Gefühl vermitteln bekommen, dass ein Teil aus der letzten Saison nun „out“ ist, ganz im Gegenteil, sondern dass es immer wunderbar kombiniert und ergänzt werden kann.
Was unterscheidet Jyoti von anderen Fair Fashion Unternehmen?
Der größte Unterschied ist sicherlich, dass die Näherinnen direkt bei uns angestellt sind. Wir haben unsere Produktion bewusst nicht ausgelagert. Natürlich hat dies einige Nachteile – wir sind weniger flexibel, haben ein größeres finanzielles Risiko und tragen mehr Verantwortung. Genau dieses Übernehmen von Verantwortung jedoch ist es, was unserer Meinung nach zwingend nötig ist um nachhaltig etwas zu verändern. Nur wenn man sich der Verantwortung gegenüber seiner Mitarbeiter stellt, kann sich etwas verändern.
»Schon klar, wir alleine werden die Textilindustrie wahrscheinlich nicht umkrempeln. Aber wir können als positives Beispiel vorangehen und zeigen, dass es anders, besser, gerechter geht. Wir können für andere Unternehmen Inspiration und für KundInnen Alternative sein. Und wir können zwölf Frauen in Indien einen Lebensunterhalt ermöglichen. Und das ist auch schon eine ganze Menge finden wir.«
– Jeanine, Gründerin –
Aus dem Gespräch habe ich noch einige schöne Informationen mitgenommen, die ich mit euch Teilen möchte.
Im Jahr 2010 ist Jeanine für ein Jahr zu einem NGO-Freiweilligendienst nach Indien gereist. Zurückgekommen ist sie mit dem Wunsch Indischen Frauen Perspektiven bieten zu können – ein Ziel das sie mit 2 Jahren Recherche, ständiger Weiterentwicklung und der Gründung von Jyoti erreicht hat.
Die Näherinnen sind alles Hobbyschneiderinnen, die nun für ihre Leidenschaft bezahlt werden. Workshops und Weiterbildungs-programme wie zum Beispiel der Entrepreneur Workshop erlauben den Frauen dazu zu lernen und auch ihre eigenen Projekte zu starten.
Die verwendeten Stoffe sind handgewebt, fair und aus der Region. Auch gefärbt wird regional und mit natürlichen Farben. Gerade die Suche nach Webern, Kooperativen und Handwebstühlen war eine der größten Herausforderungen, bei denen Jeanine aber auch keine Kompromisse machen wollte.
Ihre Arbeiterinnen werden mindestens zwei Mal jährlich gesundheitlich untersucht. Wenn sie Probleme haben, oder einen Kredit für Anschaffungen oder Ausbildung brauchen, vergibt Jyoti subventionierte Kredite, zu selbst festgelegten Zahlen und Raten – Zinsen gibt es nicht. Es ist das Vertrauen zwischen den Näherinnen und Jyoti, das die Zusammenarbeit zu eng uns besonders macht.
Jyoti ist natürlich nur eines von vielen jungen Labels die zeigen, dass Fair Fashion auch bis zum Ende gedacht werden kann.
Shirt: Jyoti Fair Works Hose: Humility Clothing Schmuck: Wildstil Decken: Elsabeth Kassa Fotografin Portraits: Saskia Stolzlechner Photography