ohne Worte.
sind die letzten Monate geblieben. Neunzehntausenddreihundtereinundvierzig Wörter habe ich meiner Bachelorarbeit geschenkt. Weitere Tausende in Mails und Telefonate mit Kunden verpackt. Die wenigen die blieben, sind in Gespräche mit Familie und Freunden geflossen, um Abends gefühlt leer ins Bett zu fallen…
Wenn ich einen Beitrag schreiben wollte, saß ich oft stundenlang vor einer leeren Datei und es kam … nichts.
Einzugestehen, dass nicht immer alles gleichzeitig möglich und auch nicht nötig ist, war eine meiner größten Lehren des letzten Jahres. Anfangs noch stolz, alles so gut und gleichzeitig hinzubekommen, ging mir mit dem kälter werdenden Herbst die Energie aus. Ich konnte nicht mehr. Schreiben. Kreativ sein. Begeisterung für neue Projekte empfinden. Ich musste aufhören. Mit allem das nicht unbedingt wichtig war. Und Platz machen für Zeit.
Ich so: Och bitte!
Mein Körper so: NÖ!
Etliche Beitrage, wie jene der Zeit, Zeitjung und HAZ, erzählen von jungen Menschen, die mit chronischen Krankheiten kämpfen, mit einfachen Situationen überfordert sind… Bei mir war das anders. Ich hatte schlichtweg keine Kraft mehr. Konnte mich nicht mehr für meine Leidenschaften begeistern. Monate ohne Fotografie, außergewöhnliche Koch-sessions oder meinem sonst so regelmäßigem Training. Zog es vor, Dinge einfach zu tun, anstatt in eine Konfrontation zu gehen, die mich womöglich noch mehr Energie kosten würde. Ich war krank. 2 Monate lang. Nie so richtig. Aber eben auch nicht gesund.
Ich bin sprachlos, dass fast jeder meiner Bekannten bereits in einer ähnlichen Situation war. Kurz vor einem Zusammenbruch. Es macht mich nachdenklich, dass wir wie selbstverständlich unsere Gesundheit, Freizeit und auch Freundschaften aufs Spiel setzen, um der Arbeit willen. Predigen wir doch alle miteinander die Philosophie des ‚hyddge‘ (neu modernes Wort für glücklich sein) und ’self love‘ auf Social Media und wiegen uns in dem Glauben das Richtige zu tun, spätabends vor dem Computer sitzend – im Streben nach
„gnadenloser Selbstoptimierung“.
Doch darin liegt eigentlich gar nicht das Problem. Das menschliche Gemüt und viel mehr noch der menschliche Körper sind unermüdlich, solange die getane Arbeit Zufriedenheit und Erfüllung schenkt. Was wirklich Kraft raubt, ist der Ruf der Gesellschaft, unserer Generation unter die Nase reibend, doch bitte nur zu tun, was wirklich Spaß macht, worin unsere Leidenschaften liegen. Wir mögen uns jetzt doch bitte endlich mal selbst verwirklichen! und unseren Platz im Leben finden. Arbeit darf nicht mehr nur Arbeit sein. Sie muss einem höheren Zweck folgen, inspirieren und leidenschaftlich sein. Dinge die getan werden ‚müssen‘ (ungeliebte/s Studium, Fixanstellung, …) wird auf einmal zur doppelten Last. Und die macht schwer zu schaffen.
Ich habe eigentlich gerne studiert. Auch wenn Tourismus als Fach nicht auf meiner Prioritätenliste der persönlichen Interessensfelder liegt, war mir die Vorstellung eines Bachelorabschlusses doch recht nah – zudem in einem Fach, das breites Wissen in vielen Bereichen vermittelt und durchaus ein langfristig Wichtiges ist. Doch das letze Jahr wurde zum Mühsal. Nicht weil das Studium zu intensiv, die Prüfungen zu schwierig oder die Bachelor-Arbeit zu aufwändig war… sondern weil ich in jeder Minute, die ich dem Studium widmete das Gefühl hatte, eigentlich gerade anderes tun zu sollen. Es wurde zwar gutmütig akzeptiert, dass das Studium nun einfach abzuschließen ist – aber eigentlich sollte ich doch meine Energien auf meine Kreativität, Arbeit, Projekte verwenden – endlich die Welt erobern – flüsterte es zwischen den Zeilen hervor – und zerriss mein Gemüt.
Erschöpfung kommt nicht aus dem intensiven Arbeiten an Dingen die man gerne tut und von denen man Energie zurückbekommt. Sie resultiert aus der Arbeit an etwas, das man gefühlt nicht machen möchte – oder es zumindest glaubt. Realisiert habe ich das leider erst recht spät – als bereits alle Prüfungen abgeschlossen waren – und nur noch die Bachelorarbeit anstand. Erst dann konnte ich mit hoch erhobenen Kinn dastehen und sagen: „Hier liegt gerade meine Priorität, das ist aktuell für mich wichtig. Und alles andere hat jetzt bitte schön zu waren – und ihr halt auch auf mich!“ Aber in dem Moment war es zu spät. Ein mit Auszeichnung abgeschlossenes Studium später war vom sonstigen Elan keine Spur.
Besorgte Blicke, einen Monat Reduktion auf das Wesentliche und drei Wochen Urlaub hat es gebraucht, bis ich freiwillig wieder die Kamera oder einen Stift zum Zeichnen in die Hand genommen habe. Ebensolange, um mich von Beziehungen zu lösen, an die ich mich geklammert habe, weil das Bekannte immer einfacher zu nehmen ist, als all jenes, das man nicht kennt. So lange hat es auch gedauert bis ich wieder meine Stimme erhoben habe und für meine Meinung und Ansichten eingestanden bin. Bis ich Nein gesagt habe, anstatt einfach abzuarbeiten.
Sprachlos
Dass ich diese Zeilen schreibe, wohl wissend, dass es vielen anderen genau so geht.
Dass Erschöpfung akzeptiert, und als Mitbringsel unserer Generationsansprüche abgetan wird. Und, dass nicht gesehen wird, wie viel Druck all die Selbstverwirklichung und Selbsfindungs Mantren der Gesellschaft in einem jungen Menschen auslösen. All das schreibt eine junge Frau die als sehr „in sich ruhend“ wahrgenommen wird, und sich grundsätzlich auch so beschreibt. Es kommt auch von jemanden, der eigentlich alle Ansprüche an meine Generation erfüllt: Selbstverwirklichung in der Arbeit, ein großartiges Team, jede Menge Sicherheit gleichauf mit der Freiheit zu tun und lassen was ich möchte. Es kommt aber auch von jemanden, der zu vielen Rufen gleichzeitig gefolgt ist.
Seid nicht sprachlos. Vor allem nicht gegenüber euch selbst. Wenige Worte reichen aus, um zu beschreiben, was in einem Moment gerade wirklich wichtig ist.
A line a day
Eine Zeile pro Tag. Ist ein Buch das mir eine gute Freundin zum Geburtstag geschenkt hat, und das mich durch die nächsten fünf Jahre begleiten wird. (ja so viele Zeilen fasst es). Sich jeden Tag Morgens, oder Abends eine Minute Zeit zu nehmen und Gedanken festzuhalten, hat etwas in mir ausgelöst. Wieder schreiben zu wollen, mit Worten zu spielen.
Mit der Zeit kamen sie zurück. Flossen aus Gedanken in Finger und diesen Beitrag. Und ich hoffe sie kommen weiter. Denn ich habe noch einiges zu erzählen.
Es ist ein sehr persönlicher Beitrag. An mancher Stelle vielleicht etwas überzogen. Aber auch einfach ehrlich. Vielleicht ist es eine unausgesprochene Entschuldigung an alle, denen ich in den letzen Monaten zu wenig Zeit gewidmet habe, vielleicht auch eine Entschuldigung an mich selbst.
Es ist aber auch die Ansprache einer Tatsache die all zu gerne verneint wird, denn ich bin es Leid, mich für das viele Arbeiten rechtfertigen zu müssen, in Momenten in denen es mir gut tut, Spaß macht und mich und ein Unternehmen weiter bringt. Ich bin es aber nicht Leid zu betonen, dass genau diese ständige Aufforderung zur immer währenden Balance nicht den Effekt hat, den man erwarten würde.
Kleidung: Mila Vert Fotografie: Nike Koleznik