Es tut sich was in der Stadt! Knistern liegt in der Luft und Sehnsucht nach Begegnungen ist spürbar. Wen wollen wir heute sehen?
Rund 50 Apps teilen sich den Speicher auf meinem Handy. Gefühlt möchte mir jede Zweite zu mehr sozialen Kontakten verhelfen, die anderen 50% gelten Fotografie, Wissen und Reisen. Wo digitale Verbindungen in der Überzahl sind, wird oft auch der Wunsch nach analogen Begegnungen stärker und das Internet das Sprungbrett zu Beziehungen. Von solchen Plattformen, Apps und Ideen, die Begegnung auf Mausklick möglich machen, erzählt dieser Beitrag und stellt acht Projekte vor.
Müsste ich Beziehungen ein Symbol geben, wäre es nicht das Herz sondern der Kaffee. Beim Kaffee kommen die Leute zusammen, Familien Treffen sich, erste Funken sprühen und Freundschaften werden aufrechterhalten. Beziehungen machen glücklich. Soweit sind sich Psychologen, Eltern und Magazine einig. Mal mehr und mal weniger direkt suchen wir nach ihnen, lassen uns auf sie ein oder beenden sie auch wieder. Doch wie knüpfen wir neue Beziehungen in der digitalisierten Welt? Und wie an einem neuen Lebens-Ort?
ankommen
Als ich vor gut zwei Jahren nach Wien gekommen bin, kannte ich flüchtig eine Handvoll Menschen. Dass ich trotzdem innerhalb kürzester Zeit Anschluss und mein Zuhause hier gefunden habe, ist on- und offline Netzwerken zu verdanken und wohl auch meiner Offenheit. Bereits vor dem Umzug habe ich mich über Plattformen wie eventbrite für Veranstaltungen angemeldet und erste Bekanntschaften gefunden. Mein zweiter Weg hat mich ins Impact Hub Vienna geführt, in dem ich anderthalb Jahre fast täglich ein und ausgegangen bin und schöne Freundschaften, Ideen für Projekte, Menschen für ein Miteinander und viel Spaß erlebt habe. Das alles funktioniert sehr gut, um sich kennen zu lernen, Neues zu entwickeln, was aber, wenn du spontane Unterstützung in deiner Nähe brauchst?
nachbarschaft
Wenn ich etwas brauche, klopfe ich an der Tür nebenan. Das ist für mich ganz normal – so bin ich aufgewachsen. Ist man mit dem Internet vertraut, scheint es aber einfacher ein neues Profil auf einer Plattform zu erstellen, als den Nachbarn nebenan um Hilfe zu bitten. Ein Umweg den wir gerne gehen, wie die Plattform FragNebenan zeigt. In fast allen österreichischen Städten kann man mittlerweile seine Nachbarn per Mausklick kennenlernen, um Hilfe bitten oder selbst seine Hilfe anbieten. Auch ich habe schon sehr lustige und großartige Erfahrungen damit gemacht. Eine Fahrradleih-Aktion mitten in der Nacht um pünktlich zu einer Prüfung zu kommen, oder gratis Umzugskartons als schnelle Unterstützung. Es scheint als ob immer jemand online ist, bereit seine Hilfe anzubieten, mit einer erstaunlichen Offenheit und Bereitschaft für ein unbekanntes „Gegenüber“. Einen der FragNebenan Gründer habe ich gemeinsam mit den NORDICO daheim besucht und mir von ihm und zwei Nutzern der Platform mehr erzählen lassen. (Das Video-Portrait ist in der Ausstellung Wege zum Glück zu sehen)
Dass Nachbarschaftshilfe, auch analog „lebt“, beweist pumpipumpe. Man bestellt Sticker mit abgebildeten Symbolen von Haushaltsgeräten über Werkzeug und klebt sich diese an den eigenen Briefkasten. Mit jedem Sticker signalisiert man seine Bereitschaft „auszuleihen“, weiß gleichzeitig aber auch, an wen man sich bei eigenem Bedarf wenden kann. Pumpipumpe ist in Österreich noch nicht sehr verbreitet wird aber immer wieder gesichtet.
grenzübergreifend
Besonders wichtig werden neue Beziehungen wenn man von Alten loslassen muss. Die neuen Medien, die ja jetzt gar nicht mehr so neu sind, erfüllen da einen besonderen Zweck im Miteinander: in unserer globalisierten Welt erfahren wir mehr und mehr einen Austausch zwischen Einheimischen und Vielheimischen und es entstehen Berührungspunkte zwischen „Alteingesessenen“ und „Geflüchteten“. Für unsere neuen Nachbarn ist da besonders ihr Handy oft die einzige Verbindung zwischen ihrer alten und neuen Heimat. Um Menschen beim Andocken in ihrer „neuen Heimat“ zu unterstützen wurden auch in Linz einige Initiativen gegründet wie z.B.: KAMA (Kurse von Asylsuchenden, MigrantInnen & Asylberechtigten), migrare und Neue Nachbarn.
Auch das Projekt Neue Nachbarn durfte ich Portraitieren, eine Erfahrung die mich sehr berührt hat. Einmal im Monat laden Kuratorinnen im Lentos Kunstmuseum einheimische und Zugezogene zum gemeinsamen Kaffee und Kuchen, Basteln, Malen und Besuch der aktuellen Ausstellungen ein. Besonders schön fand ich das Miteinander zu beobachten. Spannend, dass vor allem die Männer großes Interesse an der Ausstellungen zeigten. Die Mütter blieben mit ihren Kindern eher im Kreativen- und offenen Raum. Neue Nachbarn ist eine Initiative die viel öfter ergriffen werden sollte. (Auch diese Portrait ist in voller Länge in der Ausstellung zu sehen.)
von jung bis alt
Berührungspunkte kennen kein Alter. Das Café Vollpension in Wien hat sich genau das zur Herzensangelegenheit gemacht und bringt ältere und jüngere Menschen beim Apfelstrudel backen, servieren und natürlich auch beim Genießen zusammen.
Die LinzerLerntafel ist ein Projekt, das noch in seinen Startlöchern steht und Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit für kostenlose Nachhilfe anbieten möchte. City of respect wiederum macht auf respektvollem Umgang in Begegnungen und im öffentlichen Raum aufmerksam.
Wie viel Beziehungen für den eigenen Alltag und das Glück bedeuten wurde auch mit erst in den letzten Jahren und mit meinen Erfahrungen im social Entrepreneurship Bereich bewusst. Ich habe den Wert den all diese Projekte stiften erkannt und bin für die Initiativen vieler engagierter Einzelpersonen und Gruppen unglaublich dankbar. Wir können viel erreichen in dem wir solche Projekte unterstützen, es reicht aber oft auch schon bei seinen eigenen Beziehungen anzusetzen, die Eltern und Freunde öfter anzurufen und gemeinsame Momente zu schaffen. Das Wohnzimmer neu interpretiert. An vielen Orten gefunden und gelebt. Das bedeutet mitMENSCHEN für mich.
Was bedeutet es für dich?
Dieser Artikel ist der erste einer vierteiligen Artikelreihe zur Ausstellung "WEGE ZUM GLÜCK - Linz neugedacht und selbstgemacht". Gemeinsam mit den NORDICO Stadtmuseum Linz möchte ich auf außergewöhnliche und oft unsichtbare Projekte aufmerksam machen und auch dich dazu einladen in deiner Umgebung nach solchen zu suchen, sie aktiv wahrzunehmen und vielleicht auch mal zu besuchen. Die Ausstellung ist noch bis am 05.11. in Linz zu sehen.